[kinoki-mikrokino] Rendezvous Samstag 16.2. um 14 Uhr am Westbahnhof!

Tina Leisch augustine.leisch at gmx.at
Do Feb 14 20:38:21 CET 2013



Sehr geehrte Damen, Herren und Transgender,


Sie nehmen ein starkes Schmerzmittel. Dann schalten Sie die vorderen  
beiden Platten des Elektroherdes ein und warten, bis sie rot glühen.  
Dann legen sie vier Finger der rechten Hand auf die rechte Platte und  
vier Finger der linken Hand auf die linke Platte.
Und dann die Daumen.

Warum Sie das tun?

Es könnte die einzige Möglichkeit sein, die Beziehung zu zerreißen  
zwischen Ihnen, also Ihrer heiligen Persönlichkeit hier, Ihrem  
hübschen Körper, der Ihrer vielleicht noch hübscheren Seele zu  
Beweglichkeit, Räuschen und Orgasmen verhilft einerseits und dem  
Konvolut von Fingerabdrücken, Geburts- und Meldedaten, Polizeifotos  
und weiteren Informationen, die angeblich auf Sie verweisen, Sie  
determinieren, Sie angeblich eindeutig bezeichnen.

Warum das nötig sein könnte?

Vielleicht sind Sie ein tschetschenischer Kämpfer gegen das Regime von  
Kadyrow. Sie sind geflüchtet und wollten nach Salzburg, wo ein Teil  
ihrer Großfamilie lebt. Doch in Ungarn hat die Polizei sie  
aufgegriffen. Nach der Dublin II-Verordnung ist nun also Ungarn für  
Sie zuständig, Es ist Ihnen zwar mehrmals gelungen, sich bis zu ihrer  
Familie nach Salzburg durchzuschlagen, doch nach wenigen Wochen hat  
die österreichische Polizei Sie immer wieder nach Ungarn  
zurückgeschoben, wo Sie kein faires Asylverfahren zu erwarten haben.

Vielleicht stammen Sie aus einem arabischen Land und wollen gerne  
lieben und Sex haben mit wem und wann und warum auch immer Sie und  
Ihre Geliebten Lust haben. Kein Asylgrund, da könnte ja die halbe  
arabische Welt daher kommen. Ihr Asylverfahren in Deutschland wurde  
negativ entschieden,  Sie haben sich nach Wien durchgeschlagen und  
würden es gerne hier noch einmal versuchen. Aber natürlich: Ihre  
Fingerprints in der Eurodac-Kartei, in der europaweit alle  
Fingerabdrücke aller Asylsuchenden gespeichert werden, verhindern das.

Oder Sie sind Kurdin. Sie finden, dass die KurdInnen, genau wie die  
Menschen im Kosovo das Recht auf einen eigenen Staat haben sollten.   
Sie sehen nicht ein, dass die UCK-Leute als Befreiungskämpfer  
behandelt wurden, weil sie politisch rechts und Kämpfer gegen das  
sozialistische Jugoslawien waren, während die Kurdinnen, weil sie  
Linke und KämpferInnen gegen den NATO-Frontstaat Türkei sind , selbst  
in Europa als TerroristInnen diffamiert werden. Sie sind als ehemalige  
Kommandantin der PKK nach Deutschland geflüchtet, wo Sie nun von den  
Deutschen Behörden als „Anhängerin einer ausländischen terroristischen  
Vereinigung“ verfolgt werden. Nach den Morden an den drei kurdischen  
Politikerinnen in Paris, von den eine Ihre enge Freundin und  
Kampfgefährtin war, fürchten Sie um Ihr Leben: Deutet doch alles  
darauf hin, dass Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Saylemez im  
Auftrag des türkischen Staates umgebracht wurden. Sie könnten die  
nächste auf der Liste sein.

Oder Sie haben aus der Geschichte gelernt. Sie wissen, dass viele  
Verfolgte der vor 75 Jahren in Österreich errichteten Gewaltherrschaft  
der Nazis nur entkommen konnten, weil es ihnen damals gelang, die  
Beziehung zwischen den über sie gespeicherten Daten und ihrer Person  
zu zerreißen. Mit einem falschen Pass konnten sie sich vielleicht  
rechtzeitig über die Grenze retten, unter falscher Identität konnten  
sie der Vernichtung entkommen, die genau deshalb so viele Menschen  
erwischte, weil die Deutschen das Sammeln und Speichern von  
personenbezogenen Daten perfektioniert hatten wie kein Regime je zuvor.
Sie wollen mit Ihrer Fingerverbrennung heute ein Zeichen setzen für  
das Recht auf Uneindeutigkeit, auf Diffusität, aufs Verschwinden. Auf  
ein Recht, unkontrolliert und unidentifiziert zu leben.  Sie wollen  
darauf hinweisen, dass es eine Zumutung ist, dass die Fingerabdrücke  
jede/r BürgerIn nun im Pass gespeichert sind.
Eine polizeiliche Maßnahme, die zur Verbrechensbekämpfung erfunden,  
dann zuerst flächendeckend gegen Flüchtlinge und EinwandererInnen  
eingesetzt wurde, ist nun zum Standardrepertoire der  
Herrschaftstechnologie geworden.  Heute ist jede und jeder potentiell   
ein/e VerbrecherIn und als solche erkennungsdienstlich erfasst. Das  
empört Sie.

Oder Sie sind einer der Flüchtlinge, die im November vom  
Flüchtlingslager Traiskirchen nach Wien marschiert sind und in der  
Votivkirche Zuflucht gesucht haben.  Eine der Forderungen für die Sie  
in den Hungerstreik getreten sind, ist, dass die Fingerabdrücke aus  
den Eurodac-Computern gelöscht werden, wenn in einem Land Ihr  
Asylansuchen negativ beschieden wurde, so dass Sie die Chance haben,  
es in einem andren europäischen Land noch einmal zu versuchen. Sie  
sehen keine andre Möglichkeit, Ihren Forderungen nach einem Recht auf  
ein gutes Leben Gehör zu verschaffen, als durch diese brutale  
Selbstbeschädigung.
„Die Grenze, die mich ausschließt von elementaren Menschenrechten, vom  
Recht, ein gutes Leben zu führen, die besteht nicht aus Stacheldraht.  
Die Grenze zwischen Mensch und Untermensch: das sind diese feinen  
Linien auf meinen Fingern.“ Sagen Sie, bevor Sie die Finger auf die  
Herdplatte legen.
„Halt, warten Sie!“ Höre ich mich sagen. „Vielleicht schaffen wir es  
ja doch noch, eine breite, starke Protestbewegung zu Stande zu  
bringen, die den Menschenrechten Geltung verschafft, ohne dass sich  
jemand verstümmeln muss dafür."

Nun hoffe ich auf den Knien meines Herzens, dass ganz, ganz viele  
Menschen kommen werden zur Demonstration an Samstag, den 16.2.2013 um  
14 Uhr am Westbahnhof.

http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/02/08/demo-february-16th-we-demand-our-rights-16-februar-gleiche-rechte-fur-alle/


Bis Samstag, bei jedem Weitter!

Liebe Grüße


Tina Leisch




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