[kinoki-mikrokino] empfehlung: DIE UTOPIE FILM im filmmuseum
Peter Grabher
p@kinoki.at
Wed, 8 Sep 2004 09:28:58 +0200
hallo,
wir erlauben uns, auf die reihe DIE UTOPIE FILM im filmmuseum
hinzuweisen. einige spezielle tipps finden sich unten. das mikrokino im
7stern gibts erst im oktober wieder. unser bericht von der
retrospektive NEWSFRONT beim filmfestival in locarno zum verhaeltnis
von film und journalismus ist hier archiviert:
http://jungle-world.com/seiten/2004/35/3819.php (die linke
wochenzeitung jungle world sucht uebrigens dringend abonnentInnen:
http://jungle-world.com/seiten/2003/02/21.php). schliesslich noch ein
hinweis fuer wissenschaftlich interessierte: http://online.sagepub.com/
bietet noch bis zum 31.10. tausende artikel zu allen moeglichen themen
zum freien download. viel spass beim stoebern...
herzlich, kinok p
Die Utopie Film. 100 Vorschläge
1. bis 30. September
Die Utopie Film. 100 Vorschläge, das sind 100 herausragende Filme von
100 FilmemacherInnen, entstanden zwischen 1903 und 2002. Zusammen
bilden sie die Einladung zu einer einmonatigen Abenteuerfahrt – quer
durch die Geschichte des Films und quer durch das 20. Jahrhundert.
Österreichisches Filmmuseum - The Austrian Film Museum
Augustinerstrasse 1, A-1010 Wien
T +43/1/533 70 54-11
F +43/1/533 70 54-25
Information + Programm: http://www.filmmuseum.at
tips:
Freitag, 10. September, 19.00 Uhr
Dom na trubnoj (Das Haus in der Trubnaja-Straße) (1927)
Regie: Boris Barnet; Drehbuch: N. Erdman, A. Marienhof; Darsteller:
Vera Maretskaya, Vladimir Vogel, Anna Sten. Schwarzweiß, 74 min
„Ein Nouvelle-Vague-Film vor seiner Zeit“, eine „herrlich komische
Stadtsymphonie“, ein „heimliches Vorbild für den Mann mit der Kamera“
(J. Hoberman) – Dom na trubnoj erzählt von einer Landmaid, die in
Begleitung ihrer Ente nach Moskau kommt, ein Mietshaus
durcheinanderbringt und mit der urbanen Überstimulation zu Rande kommen
muss. Es heißt, revolutionäre sowjetische Filmkunst der 20er Jahre sei
furchtbar ernst, mit Theorie gesättigt und durch die Namenskette
Eisenstein-Pudowkin-Vertov zureichend beschrieben. Der größte aller
unbekannten Meister des Sowjetkinos beweist das genaue Gegenteil: Der
Schauspieler, Regisseur und Boxer Boris Barnet (1902–65) war zur freien
Komödie und zur Kinolyrik begabt wie kein zweiter. Hier spielt er im
Konzert mit dem französischen Slapstick-Virtuosen Romeo Bosetti:
Léontine garde la maison ist ein stoischer Bericht über die trickreiche
und restlose Zerstörung einer bürgerlichen Wohnung durch die Magd
Léontine.
Freitag, 10. September, 20.30 Uhr
The Exiles (1958–61)
Regie und Drehbuch: Kent MacKenzie; Kamera: Erik Daarstad; Darsteller:
Homer Nish, Tom Reynolds, Yvonne Williams. Schwarzweiß, 72 min
Ein Kino-Schatz, gehoben von Thom Andersen bei der Arbeit am
Meister-Essay Los Angeles Plays Itself, wo The Exiles als einer der
wenigen Filme fungiert, die die Heimatstadt authentisch portraitieren:
zwölf Stunden in Bunker Hill, ein vor allem von Indianern bewohntes,
schon damals von der Zerstörung bedrohtes Billig-Viertel im Westen von
Los Angeles. Eine lange, einsame Nacht voller kleiner Niederlagen und
noch kleinerer Glücksmomente. Kent MacKenzies Dokudrama, trotz Geldnot
bewusst auf 35mm gedreht, findet klare, ungekünstelte, leise
erschütternde Bilder für kulturelle Entfremdung und Deplatzierung. Das
Dokument einer versunkenen Welt, die längst endgültig der
Gentrifizierung zum Opfer gefallen ist: Wie seine Subjekte ist
MacKenzies Film marginalisiert geblieben, aber er wäre eine gültige
Westküsten-Antwort auf Cassavetes’ Shadows gewesen.
Sonntag, 12. September, 21.00 Uhr
Palombella rossa (1989)
Regie und Drehbuch: Nanni Moretti; Kamera: Giuseppe Lanci; Musik:
Nicola Piovani; Darsteller: Nanni Moretti, Silvio Orlando, Asia
Argento. Farbe, 89 min
Ein kommunistischer Politiker und Wasserballspieler verliert bei einem
lächerlichen Autounfall sein Gedächtnis und gerät in eine
Identitätskrise: Er weiß, dass er Kommunist ist, aber nicht mehr,
warum. Als er geheimnisvollerweise für ein Wasserballspiel rekrutiert
wird, überwältigen ihn zwischendurch Erinnerungen an Kindheitstraumata
und seine spätere Zeit in der Partei. Während einer Spielunterbrechung
sehen sich alle Beteiligten und Zuseher in der Imbissbude nebenan den
Schluss von Dr. Schiwago an – und hoffen auf ein anderes Ende. Der
wildeste und verträumteste, wahrscheinlich der schönste Film des großen
italienischen Autarkisten Nanni Moretti, eine Satire über den Zustand
der italienischen Linken Ende der 80er Jahre.
Donnerstag, 16. September, 19.15 Uhr
Mädchen in Uniform (1931)
Regie: Leontine Sagan; Drehbuch: Christa Winsloe, F.D. Andam; Kamera:
Reimar Kuntze, Franz Weihmayr; Darsteller: Dorothea Wieck, Herta
Thiele, Emilia Unda, Hedwig Schlichter, Erika Mann. Schwarzweiß, 88 min
Skandal, Welterfolg und berüchtigter Film der Weimarer Zeit. Inszeniert
von der Österreicherin Leontine Sagan und besetzt ausschließlich mit
Mädchen und Frauen: das Leben in einem Internat für Töchter verarmter
adeliger Offiziere als Metapher auf die vernichtende Macht des
preußischen Disziplin- und Unterordnungsgeistes. Siegfried Kracauer
rezensiert Mädchen in Uniform bei seinem Erscheinen äußerst wohlwollend
als Zeichen, dass sich auch noch „gute Kräfte“ im „Wust von
Militärfilmen“ regen und wünscht ihm großen Erfolg. Auch heute noch
erstaunt die Offenheit, mit der der Film – in einem sich „schließenden“
Klima – das Grundproblem der Autorität angeht.
Donnerstag, 16. September, 21.00 Uhr
Meghe Dhaka Tara (Der verborgene Stern) (1960)
Regie: Ritwik Ghatak; Drehbuch: Ghatak nach einer Erzählung von
Shaktipada Rajguru; Kamera: Dinen Gupta; Musik: Jyotirindra Moitra;
Darsteller: Supriya Chowdhury, Anil Chatterjee, Niranjan Ray.
Schwarzweiß, 134 min
Ritwik Ghatak: „Ich stelle grenzenlose Ansprüche an Meghe Dhaka Tara.
Ich erachte ihn als meinen besten Film.“ Eine Leidensgeschichte von
klassischer Schönheit und wilder Modernität, die als Meisterwerk
anerkannte Quersumme im Schaffen eines ewig gespaltenen Regisseurs, in
dem Traditionsbewusstsein und Progressivität um die Oberhand ringen. In
einem Vorort Kalkuttas kämpft eine Familie bengalischer Flüchtlinge ums
Überleben: Nachdem der Vater zum Invaliden wird und der älteste Sohn in
eine Karriere als Musiker flieht, liegt es an der Tochter Nita, die
Familie zu erhalten. Meghe Dhaka Tara erzählt Nitas Opfergang dreifach,
wobei sich die Ebenen schwindelerregend inkongruent überlagern,
vertiefen, erweitern: als individuelles Drama, als Allegorie auf die
Situation der Emigranten und als Abbild indischer Mythen von der
Muttergöttin. Ein Film der Dreiheit: drei Frauen im Haus, dreimal
knechten Peitschenschläge – wie aus dem Nichts und nur auf der radikal
arrangierten Tonspur zu hören – die Heldin, und dreimal schreit sie am
Ende gegen die starren Berggipfel den Wunsch nach Leben hinaus. Dann
beginnt der Teufelskreis von Neuem.
Freitag, 17. September, 20.00 Uhr
Le Fond de l’air est rouge (1977/93)
Regie und Drehbuch: Chris Marker; Kamera: Pierre-William Glenn, Willy
Kurant; Musik: Luciano Berio; mit Jim Broadbent, Cyril Cusack, Yves
Montand, Jorge Semprún, Simone Signoret. Schwarzweiß und Farbe, 240 min
Ursprünglicher Untertitel: Szenen aus dem III. Weltkrieg – 1966–1977.
Markers fulminanter Essay zieht eine kritische Bilanz der Geschichte
der Linken während der Ära. Ausgehend von Eisensteins Potemkin (ein
anderer Montage-Film mit der Masse als Held), orchestriert Marker ein
Füllhorn von teils sehr rarem, höchst unterschiedlichem Archivmaterial
auf charakteristisch idiosynkratische Weise: mit satirischer Kraft,
unbedingter Hingabe und seiner speziellen Poesie in Montage und
Kommentar-Aphorismen. (Wer sonst könnte sich diesen Exkurs über Fidel
Castros Umgang mit Mikrofonen ausdenken?) Ein impressionistisches,
stets überraschendes Epos über den Witz der Geschichte, „einer Macht,
die stets mehr Fantasie zu haben scheint als wir“.
Samstag, 18. September, 19.00 Uhr
Moi, un noir (1959)
Regie, Drehbuch und Kamera: Jean Rouch; Musik: Joseph Yapi Degre;
Darsteller: Amadou Denba, Karidyo Faoudou, Gambi, Oumarou Ganda. Farbe,
70 min
Mülheim / Ruhr (1964)
Konzept und Realisation: Peter Nestler. Schwarzweiß, 14 min
Dokumente ohne Direktton, audio-expanded sozusagen, mit Gewinn:
Mülheim/Ruhr, ein unsentimental schönes, kurzes Portrait der Stadt von
Peter Nestler, die Bilder entlang sozialer und zeitlicher Gegensätze
strukturiert, während auf der Tonspur Dieter Süverküps Jazz Score einen
einheitlichen Fluss erzeugt. Die Tonspur in Jean Rouchs bahnbrechendem
Moi, un noir: ein atemloser, spontaner, mitreißender, oft sehr
komischer Off-Kommentar, nach Ansicht des Filmmaterials von seinen
Protagonisten improvisiert, jungen Nigerianern, die aus ihren Dörfern
in die Stadt gezogen sind und sich vor der Kamera spielen – in
selbstgewählten Rollen, als „E.G. Robinson“ oder „Eddie Constantine“.
Jean-Luc Godard, 1959: „Das Sesam-öffne-dich der Poesie.“
Montag, 20. September, 19.00 Uhr
Big Business (1929)
Regie: James W. Horne, Leo McCarey; Drehbuch: McCarey, H.M. Walker;
Darsteller: Stan Laurel, Oliver Hardy, James Finlayson. Schwarzweiß, 23
min
Stschastje (Das Glück) (1934)
Konzept und Realisation: Alexander Medvedkin; Kamera: G. Trojanski;
Darsteller: P. Sinovjev, J. Jegorova, L. Nenascheva. Schwarzweiß, 70
min
Zwei definitive Slapstick-Meisterwerke. Big Business, Apotheose der
konsequenten Zerstörungsphilosophie von Laurel & Hardy, beweist, dass
der Vergeltungsdrang des Menschen seinen Überlebensinstinkt weit
übertrifft. William K. Everson: „Was Birth of a Nation fürs
Historienspektakel ist, ist Big Business für die Komödie.“ Stschastje,
chef d’œuvre von Alexander Medvedkin, ist einer der letzten und
originellsten Stummfilme Russlands. Eine bolschewistische Komödie mit
anarchischer Schlagseite, dezidiert „dem letzten Kolchosenfaulenzer
gewidmet“. Der Kampf eines Bauern ums Glück, gegen Popen, Kulaken und
Gefolgsleute des Zaren – und nach der Revolution gegen die eigene
Inkompetenz: explosive Erfindungskraft, gnadenloser Sarkasmus und das
faulste Pferd des Kinos.
Montag, 20. September, 20.45 Uhr
Beiqing chengshi (A City of Sadness) (1989)
Regie: Hou Hsiao-hsien; Drehbuch: Wu Nien-Jen, Chu Tien-Wen; Kamera:
Chen Hwai-En; Darsteller: Tony Leung Chiu Wai, Hsin Shu-Fen. Farbe, 161
min
Erster Teil von Hou Hsiao-hsiens gigantischer Trilogie über die
Geschichte Taiwans im 20. Jahrhundert: vom Ende der japanischen
Herrschaft (Hirohitos Kapitulation im Jahre 1945) zum Rückzug von Chang
Kai-sheks Regierung nach Taipei (die kommunistische Machtübernahme am
Festland 1949) in knapp 160 Minuten, das Schicksal des Landes
gespiegelt in den mit behutsamer Leidenschaft und in sorgfältigen
Ellipsen gezeichneten Lebenswegen der Mitglieder einer Familie. Der
erste große taiwanesische Film, der sich mit dem Volksaufstand 1947
beschäftigte und der erste mit Direktton (sein Thema ist auch
Kommunikation: das Aufeinandertreffen verschiedenster Sprachen und
Dialekte), aber eigentlich ein Film der Stille und der Geduld, der in
distanzierten, meisterhaft komponierten Totalen langsam und
unerbittlich tragische Kraft akkumuliert.
Mittwoch, 22. September, 19.00 Uhr
Maudite soit la guerre (1914)
Regie, Drehbuch: Alfred Machin; Kamera: J. Bizeul, P. Flon; Darsteller:
Maurice Auzat, Baert. 55 min (Restaurierte Farbkopie)
Berlin (1945)
Konzept und Realisation: Elisaveta Svilova, Juli Raisman. Schwarzweiß,
54 min
Der Krieg und das Kino bilden eine Klammer. Entlang der Filmarbeit und
den Schriften von Godard, Farocki oder Virilio ist dieser Zusammenhang
beinahe Allgemeingut geworden. Hier eröffnet sich eine weitere Klammer:
vom Augenblick der großen Sorge, unmittelbar vor dem Weltkrieg, bis zum
Augenblick nach der Zerstörung (31 Jahre und zwei Weltkriege später).
Machins Film hat seine Premiere am 1. Mai 1914 in Brüssel. Er blickt
voraus: Zwei Armeepiloten werden durch den Kriegsausbruch zu Feinden.
Die Schwester des einen ist die Geliebte des anderen. Mai 1945: Die
Schnittmeisterin Elisaveta Svilova, im Umfeld ihres Komplizen und
Ehemanns Dziga Vertov tätig, und der Regisseur Juli Raisman schaffen
mit Berlin ein dokumentarisches Schlachtengemälde über das Ende des
Zweiten Weltkriegs. 38 sowjetische Kameraleute drehen an der Front.
Zehn Tage Kampf, 75 Kilometer von der Überquerung der Oder bis zur
Eroberung Berlins, 16 Tage Filmmontage. Zwei Wochen nach der
Kapitulation Deutschlands läuft Berlin im Kino an.
Mittwoch, 22. September, 21.00 Uhr
Cabra marcado para morrer (vinte anos depois) (1964/84)
Regie und Drehbuch: Eduardo Coutinho; Kamera: Fernando Duarte (1964),
Edgar Moura (1984); Musik: Rogério Rossini. Schwarzweiß und Farbe, 119
min
1964 begann Eduardo Coutinho mit den Dreharbeiten zu Cabra marcado para
morrer, einen Spielfilm über die Landarbeiterligen im Nordosten
Brasiliens und die brutale Ermordung eines ihrer Führer durch die
Armee, doch nach dem Militärputsch war er zum Abbruch gezwungen. 1981
startete er eine Suche nach den Familienmitgliedern, die damals
untertauchen mussten und sich übers Land verteilten. Aus der Recherche
und den Gesprächen mit ihnen hat Coutinho in Verbindung mit dem
geretteten Material für den ursprünglichen Film ein eindrucksvolles
Portrait politischer Repression (auch des Kinos) und des Widerstands
dagegen gewoben. Die 60jährige Frau des Toten entscheidet sich
schließlich, aus ihrem Versteck wieder an die Öffentlichkeit zu gehen:
dokumentarisches Filmemachen als Lebenspraxis.
Freitag, 24. September, 21.00 Uhr
Spare Time (1939)
Konzept und Realisation: Humphrey Jennings. Schwarzweiß, 15 min
Cluny Brown (1946)
Regie: Ernst Lubitsch; Drehbuch: S. Hoffenstein, E. Reinhardt; Kamera:
Joseph LaShelle; Darsteller: Charles Boyer, Jennifer Jones.
Schwarzweiß, 100 min
1939, England vor dem Sturm. Spare Time, der freieste Film im
grandiosen Werk von Jennings, zeigt englische Arbeiter beim Singen,
Tanzen, Musizieren. Cluny Brown portraitiert die britische
Klassengesellschaft im Sommer ’39: Alles gehört an seinen
„angestammten“ Platz! Darin sind sich Adelige und Dienstboten einig.
Und Politik hat hier gar nichts verloren! Dementsprechend halten Lord
und Lady Carmel Hitler für einen Mann, der ein Buch über das Leben in
der Natur geschrieben hat – My Camp. Der tschechische Flüchtling Adam
Belinski und die phantasiebegabte Klempnerin Cluny Brown treten an, die
Verstopfung dieses Milieus aufzubrechen: mit Frechheit, Freiheit und
einer großen Liebe.
Montag, 27. September, 21.00 Uhr
Force of Evil (1948)
Regie: Abraham Polonsky; Drehbuch: Polonsky, I. Wolfert; Kamera: G.
Barnes; Musik: David Raksin; Darsteller: John Garfield, Marie Windsor.
Schwarzweiß, 78 min
The End (1953)
Konzept und Realisation: Christopher MacLaine. Farbe, 34 min. Neue Kopie
Wie man das System benutzt. Zum ersten handelt der Film davon, zum
zweiten praktiziert er eben dies, um zu sein, was er ist, allerdings
mit anderer Absicht. Verpackt in einen Noir-Gangster-Thriller erzählt
Force of Evil ein Traktat vom organisierten Verbrechen, das sich der
Praktiken des Wirtschaftslebens zu bedienen weiß. Polonsky lässt ahnen,
dass die Verschwisterung von Kapitalismus und Kriminalität heillos und
resistent ist. Diesen Blick auf die Dinge weiß er nach Hollywood
einzuschmuggeln, indem er sich perfekt an die mythische Ikonographie
des Gangsterfilms und an die Erzählform der Schwarzen Serie hält.
Hinter den Kulissen indes torpediert er jedes erdenkliche Klischee, was
die Zensoren in Weißglut versetzt. Unnötig zu sagen, dass die Hexenjagd
einen Regisseur wie ihn nicht ungeschoren lässt. (Harry Tomicek)
Danach: The End oder: Wie die Beat-Generation auf den Film Noir
antwortet – noch apokalyptischer, noch auswegloser.
Donnerstag, 30. September, 19.00 Uhr
Une œuvre (1968)
Konzept und Realisation: Maurice Lemaitre. Farbe, 14 min
La Société du spectacle (1974)
Konzept und Realisation: Guy Debord. Schwarzweiß, 80 min
Jeune, pure et dure! So nennt Nicole Brenez ihre Geschichte des
französischen Außenseiterkinos, eines Kinos der Polemik, der
Avantgarde, der Zerstörungslust. Die monumentale Vorherrschaft der
Nouvelle Vague, speziell Jean-Luc Godards, im Diskurs über das Neue aus
Filmfrankfreich drängte viele und vieles an den Rand, speziell was die
Jahre um 1968 betrifft. Bei Lemaitre und Debord ist dieser Rand ein Ort
der Stärke. Die Stärke lautet: Negation. Lemaitres Film, aus Abfall und
Wahnsinn zusammengesetzt, hat einen zweiten Titel: Die Hölle des Kinos.
Debords Langfilm erscheint heute monumentaler als alles, was die
Nouvelle Vague hinterließ. Die Gesellschaft des Spektakels ist eine
klarsichtige Verschwörungstheorie. Roberto Ohrt: „Produktionsmaschine,
Reproduktionslager, Konsumparadies, Kriegsapparat oder
Glücksversprechen; ein Lebensrad, dem die Protagonisten – Politiker,
nackte Mannequins, glänzende Autos, Waffen oder Wohnsilos – als
Darsteller eines weltweit organisierten Verblendungszusammenhangs
eingeheftet sind.“
revolution will not be televised
*************************************************
kinoki
Gumpendorfer Str. 63B
Buerogemeinschaft 1. Stock
1060 Wien
Mobile: ++43 (0)650 5031574
Fax: ++43 (0)1 408 93 60
mikrokino@kinoki.at
http://www.kinoki.at