[kinoki-mikrokino] #166 - Mi 18.11./depot: BOLIVIEN – PLURINATIONALER STAAT, GESPALTENE GESELLSCHAFT?

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Fr Nov 13 14:03:52 CET 2009


hallo, anbei die einladung zu unserem bolivien-abend am mittwoch!
wir moechten auch noch einmal auf unsere kleine reihe JENSEITS DER  
HERKUNFT. BEYOND BELONGING hinweisen, die am montag im museum für  
volkskunde mit kenan kilics GURBET beginnt. siehe http:// 
www.kinoki.at/josefstadt/josefstaedter-kulturherbst.html
herzlich, kinok p

KINOKIS MIKROKINO

Politische Filmabende, 1x monatlich im depot bei freiem Eintritt.
depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien,
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kinoki. Verein für audio-visuelle Selbstbestimmung
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Förderpreis Politische Kulturarbeit 2004 der IG Kultur Österreich.

Einladung zu kinokis mikrokino #166

Mittwoch, 18. November 2009, 19 Uhr
BOLIVIEN – PLURINATIONALER STAAT, GESPALTENE GESELLSCHAFT?

Anlässlich der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 6. Dezember  
2009 wollen wir im Rahmen der Vorführung zweier Videos von Ismael  
Saavedra aktuelle Entwicklungen in Bolivien thematisieren.  
Voraussichtlich werden Evo Morales und seine Partei, die MAS, ihren  
„proceso de cambio“ auch in der nächsten Regierungsperiode fortführen  
– ihre Wiederwahl scheint so gut wie sicher. Zukünftige  
Herausforderungen und bestehende Konfliktpotenziale kommen in den  
Filmen Saavedras eindrücklich zum Vorschein: Wie kann es gelingen,  
einen plurinationalen Staat in die Realität umzusetzen und  
gleichzeitig den Autonomieforderungen der Tiefland-Departements  
gerecht zu werden? Werden die Hoffnungen der armen und  
marginalisierten Bevölkerungsgruppen auf höhere Lebensqualität und  
soziale Gerechtigkeit trotz des Widerstandes mächtiger Gruppen gegen  
geplante Umverteilungsmaßnahmen erfüllt werden können? Wird es  
gelingen existierende Polarisierungen (Hochland/Tiefland, Indigen/ 
Nicht-indigen, Land/Stadt, Oberschicht/Unterschicht) zu überwinden,  
um ein konstruktives Zusammenleben zu ermöglichen? Können die Rechte  
auf eine gesunde Umwelt trotz der Ausbeutung der natürlichen  
Ressourcen implementiert werden?

Die beiden aktuellen Arbeiten von Ismael Saavedra verweigern sich  
einer eindeutigen Genrezuschreibung und sind am ehesten im Bereich  
von ethnografischem und sozialem Dokumentarfilm verortbar. Die  
formale Offenheit und auch der eindeutige politische Impetus des  
Filmemachers, der sich nicht scheut über seine persönlichen Zugänge,  
Fragen und Zweifel zu reflektieren, verleihen den Videos  
Nachhaltigkeit und Kraft. Saavedras zahlreiche biografische Stationen  
können nur angedeutet werden: geboren im bolivianischen Jungle,  
Militärpilot, Rechtsanwalt, Politologe, Rockmusiker, in den 70er- 
Jahren Mitglied der Filmkooperative UKAMAU, inhaftiert, gefoltert und  
exiliert während der Militärdiktatur der 80er-Jahre, 1999 Rückkehr  
nach Bolivien, derzeit Leiter einer Filmschule. Offensichtlich  
manifestieren sich diese multiplen Lebensperspektiven in den  
Filmarbeiten, wobei durchgehende Motive wie gesellschaftspolitisches  
Handeln und Aufbegehren hier wie Selbstverständlichkeiten wirken.

Das Beobachten, Begleiten und Unterstützen einer sozialen Bewegung  
steht auch in „3000“ im Mittelpunkt. Rückgehend auf eine  
Flutkatastrophe von 1983 organisieren sich (3000) marginalisierte,  
obdachlos gewordene Familien und sind so Namengeber einer riesigen,  
„selbstverwalteten“ Slumsiedlung in Santa Cruz geworden. Die  
Lebensumstände in „Plan 3000“, wo mittlerweile geschätzte 300.000  
Menschen aus ganz Bolivien leben, sind nach wie vor verheerend – von  
Armut, Diskriminierung und Exklusion geprägt. Kämpferisch appellieren  
die ProtagonistInnen ihre Anliegen nach gesellschaftlicher  
Anerkennung und einer humanen Existenz. Geschichtsschreibung mit und  
für Menschen ohne offizielle Geschichte.

„Jiwasa“ (Aymara für „wir alle“) untersucht auf ungewöhnliche Weise  
die Diversität des Landes und seiner Kulturen und insbesondere  
welchen Beitrag die indigenen Traditionen Boliviens zur Überwindung  
des neoliberalen Gesellschaftsmodells heute leisten (können und  
dürfen). Saavedra überträgt seine Fragen und Antworten in  
Bildsequenzen ritueller Feste und Inszenierungen, welche er mit  
Darstellungen brutaler Polizeiaktionen verwebt.

„I used the audiovisual language as esthetics to communicate the  
following message: The contradictory but complementary imagery of the  
Bolivian feasts and celebrations. And the political, economical and  
cultural struggle of the Bolivian people deciding their own history,  
finding its own identity, or shall I better say  
„identities“?“ (Ismael Saavedra)

3000
Ismael Saavedra, BOL 2009, span. OF mit engl. UT, 63 min.

Jiwasa
Ismael Saavedra, BOL 2008, span. OF mit engl. UT, 67 min.

Gespräch mit Almut Schilling-Vacaflor (Soziologin, Institut für  
Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien)
Moderation: Eva Simmler (kinoki)


***

Vorschau

kinokis mikrokino #167
Mittwoch, 16. Dezember 2009, 19 Uhr
ANTWORTEN AUF NICHTS: REPRÄSENTATION AUTISTISCHER WIRKLICHKEITEN IN  
FILM & MEDIEN

Abseits von Tom Cuise und "Rain Man" (Barry Levinson, USA 1988) wurde  
und wird Autismus in verschiedenen Formen zum Gegenstand filmischer  
Arbeit: Kinofilme wie Sandrine Bonaires "Elle s'appelle Sabine" (F  
2008), Dokumentationen zur psychosozialen Situation und  
Unterbringung, Lehrvideos zur verhaltenstherapeutischen Behandlung  
bis hin zu Fundraising- und Awareness-Videos amerikanischer Autism- 
NGOs geben Einblick in jene Mittel, durch welche die Angst,  
Verzweiflung und Fremdheit des Autismus konfrontiert, rationalisiert  
und verwertbar gemacht werden soll. Anhand von Ausschnitten aus  
diesem Material und durch das Screening des Spielfilms „Sommer“ von  
Philip Gröning (D 1986) möchten wir einen Eindruck davon vermitteln,  
welche Kräfte und Widerstände im Autismus am Werk sind und was das  
mit der gegenwärtigen sozialen Verhältnissen zu tun hat.

Sommer
Regie: Philip Gröning, D 1986, 105 Min., DVD

Einführung mit Filmausschnitten und Gespräch mit Roman Widholm  
(Philosoph und Betreuer von Menschen mit Autismus in Wien und  
Niederösterreich)



revolution will not be televised
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