[kinoki-mikrokino] gangster girls debatten & Peter Lorre im Lokativ
kinostart at gangstergirls.at
kinostart at gangstergirls.at
Mon Apr 6 00:54:00 CEST 2009
Liebe Leute,
Diese Woche gibt es zwei Diskussionen zu den Gangster Girls (www.gangstergirls.at
)
im Stadtkino (www.stadtkinowien.at)
und einen Peter-Lorre-Abend im Lokativ:
Montag, den 6.4. nach der 2.Vorstellung von Gangster Girls
(Filmbeginn 19.30, Diskussionsbeginn circa 21 Uhr)
im Stadtkino am Schwarzenbergplatz
diskutieren:
Karina Ressler (Cutterin)
Andrea Braidt (feministische Filmwissenschaftlerin)
und Tina Leisch (kinoki)
über Strategien des Dokumentarischen
(unten an diesem mail finden Sie/findet ihr einen kleinen Entwurf
zu einem kinoki-Manifest fürs dokumentarische Filmemachen....
Freitag, den 10.4. lädt der Augustin nach der 2.Vorstellung von
Gangster Girls
(Filmbeginn 19.30, Diskussionsbeginn circa 21 Uhr)
im Stadtkino zum KASFREITAG, an dem das Augustinmanifest für eine
gefängnislose Gesellschaft
präsentiert und u.a. mit Einbrecherkönig Ernst Walter Stummer
diskutiert wird. (siehe unten)
(freier Eintritt für AugustinverkäuferInnen)
Außerdem dringende Empfehlung:
Mi 8.4. Soirée Noir für Peter Lorrre im Lokativ
Der 2. Bezirk war und ist noch immer kontinuierlicher oder temporärer
Wohnraum für Menschen aus allen Weltgegenden. Vor über 100 Jahren
bezogen in der Valerienstrasse 88, heute Böcklinstrasse, der 13
jährige Ladislav Löwenstein und seine Familie eine Bleibe. 14 Jahre
blieb er in Wien, ging nach Berlin, wo aus ihm Peter Lorre wurde. Im
Exil in den USA arbeitete er nicht immer erfolgreich als Haupt- und
Nebendarsteller in zahlreichen Filmen; ihm zu Ehren als ehemaligem
Bewohner der Leopoldstadt findet eine Soirée Noir
Über Eurer zahlreiches Erscheinen freut sich das Team vom Lokativ
1020 Wien, ARENZHOFERSTR. 12 (Ecke Wolfgang-Schmälzl-Gasse)
Erreichbarkeit: U1, U2, S-Bahn Praterstern
MANIFESTE:
"wenn im Herzen des Wunsches Strategien des Klassenkampfes
entwickeln.... "
1. Entwurf für ein kinoki-Dokumentarfilmmanifest
Weitverbreitet ist die Illusion, die wirkliche Wirklichkeit würde sich
der Kamera zeigen, wenn man entweder schnell und frech genug mit der
Kamera draufhält oder wenn man irgendetwas nur behutsam und langsam
genug begleitet. Eine naive Illusion. Nicht nur, weil nach der
cinematographischen Unschärferelation der Kamerablick das Gefilmte
immer schon beeinflusst, nicht nur, weil die Kamera als technische
Apparatur von den siebzehn Dimensionen der Welt nur zwei bis drei ins
Bild bannen kann, sondern weil ihr die noch naivere Illusion zugrunde
liegt, die gesellschaftlichen Verhältnisse seien sichtbar oder
sichtbar zu machen. (Sie zeigen sich vielleicht auch, ganz selten
einmal, als mysteriöse Epiphanie in EINEM Bild, EINER Einstellung,
normalerweise ist aber zumindest Montage notwendig, um Dialektik
herzustellen, und ohne Dialektik keine Gesellschaftsanalyse geschweige
denn -kritik, anders gesagt: Erkenntnis ist kein Effekt des
Hinschauens, sondern des Nachdenkens. Weil politisch engagiertes
Dokumentieren also nicht so sehr sichtbar machen , als denkbar machen
heisst, können manche Filme, die ihr Objekt offensichtlich
"konstruieren" realistischer, dokumentarischer sein, als die genau
beobachtenden, ohne deshalb "Spielfilm" zu werden.
Ein anderer Irrtum ist, dass politischer Dokumentarfilm hauptsächlich
Erkenntnisse produzieren soll, bestenfalls noch etwas Empathie, die
dazu führt, dass das Publikum denen, in die es sich hineingefühlt hat,
deshalb aus Rührung nachher ein paar Rechte mehr zugesteht, als nach
seinem Alltagsverständnis sonst üblich.
Ein beträchtlicher Teil vermeintlich wohlmeinender Politdokus
scheitern daran, dass sie sich nicht hineichend darüber im klaren
sind, dass filmische Bilder in extremer Weise in der Lage sind
Begehren zu produzieren, zu lenken, zu codieren.
Daher erniedrigen die Mitleidsdokus ihre ProtagonistInnen, deren
Partei sie vorgeben zu ergreifen genauso, wie sie die angeklagten
Ungerechtigkeiten zementieren, wenn es ihnen nicht gelingt, im Inneren
der Bilder, des Schnittes, des Rythmus des Filmes schon selbst eine
Umwertung der Werte vorzunehmen.
Die Grenzen eines Bildes müssen nicht den Rändern der Begriffe folgen,
die Architektur eines filmischen Zusammenhanges muss nicht die
Architektur eines theoretischen Gebäudes nachzeichnen, im Gegenteil.
Gerade weil die Bilder ständig über die Ränder der Begriffe schwappen
können, die man sich von ihnen zu machen geneigt ist, gerade weil der
durch Montage hergestellte filmische Zusammenhang eine Transversale zu
den von der Theorie behaupteten Machtverhältnissen darzustellen
vermag, können politische Dokumentarfilme
Röntgenbilder der Sollbruchstellen von Herrschaftverhältnissen sein.
In dem sie zum Beispiel offenbaren, dass die Herrschaft in demselben
Mass eine Konstruktion ist, eine Konvention, die auf allgemeine
Unterwerfung unter einen Code funktioniert, wie die filmische Sprache
selbst.
Das Karfreitags-Manifest des Augustin für eine gefängnislose
Gesellschaft
„Ihre Suche brachte kein Ergebnis“. Dieser Satz erscheint, wenn man im
Weblog des Vereins Neustart (früher Bewährungshilfe) in das Suchfeld
den Begriff „gefängnislos“ eingibt. Es war einmal – da konnte man sich
auf den im Auftrag des Justizministeriums tätigen Verein verlassen,
wenn man beim Thema „Alternativen zum Gefängnis“ auf den neuesten
Stand der Diskussion gebracht werden wollte. Aus heutiger Sicht
unglaublich: Christian Broda selbst, österreichischer Justizminister
von 1960 bis 1966 und von 1970 bis 1983, erklärte die „gefängnislose
Gesellschaft“ zu einem der Ziele sozialdemokratischer Realpolitik.
Heute fühlen sich die MacherInnen der Straßenzeitung Augustin allein
gelassen mit ihrer grundsätzlichen Infragestellung des staatlichen
Strafens. Dabei erlaubt die Informationsflut über die
Weltwirtschaftskrise täglich aufs Neue die Wahrnehmung, dass die
Gefängnislosigkeit zumindest für die Verursacher der Bankencrashes und
der Beinahe-Crashes ganzer Staaten Realität ist - und keine Utopie.
Strafrechtlich relevante Vorgänge – wie Steuerbetrug, Veruntreuung
öffentlicher Gelder, Auszahlung von Milliarden an Boni zu einem
Zeitpunkt, als das betreffende Unternehmen schon pleite war – werden
nicht sanktioniert, während KleinstunternehmerInnen beim geringsten
Steuerhintergehen kriminalisiert werden.
Der Augustin will mit seinem „Manifest gegen das staatliche Strafen“
die Debatte über Alternativen zum Gefängnis neu in Gang bringen – auch
wenn das Wegsperren in Zeiten von „Monstern“ a la Fritzl populärer
denn je ist. Das Mainfest ist im aktuellen Augustin publiziert und
wird am Karfreitag, 10. April 2009, im Stadtkino am Schwarzenbergplatz
im Anschluss an die Vorführung von „Gangster Girls“, des
Dokumentarfilms von Tina Leisch über das Frauengefängnis Schwarzau,
zur Diskussion gestellt. Die Veranstaltung steht unter dem Motto
„Kasfrei – nicht nur am Kasfreitag“. Der anwesende „Einbrecherkönig“
Ernst Walter Stummer wird nicht nur diesen Begriff aus der
Häftlingssprache erklären, sondern aus eigener Erfahrung zur
angeblichen „Resozialisierungs“-Kompetenz des Strafvollzugs Stellung
nehmen.
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: http://kinoki.at/pipermail/kinoki-mikrokino/attachments/20090406/c74dd15d/attachment.html