[kinoki-mikrokino] Terminkorrektur #126 - Di (!) 10.5., Metro Kino: <Das Herz der Welt schlug in Wien.> Zwei Filme der Linken im Kalten Krieg.

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Wed, 27 Apr 2005 10:06:13 +0100


hallo, leider ist uns bei der vorankuendigung unseres naechsten 
mikrokino-abends ein verwirrung stiftender fehler unterlaufen. der abend 
findet am dienstag 10.5. (nicht montag!) statt. das filmarchiv 
veranstaltet mi 11.5./do 12.5. ein symposium mit dem titel <besetzte 
bilder>, infos dazu finden sich unten. herzlich, kinok p

KINOKIS MIKROKINO

Politische Filmabende, momentan ca. 2x monatlich, an diversen Orten 
auftauchend.
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Einladung #126

Dienstag 10.5.2005, 21:00, Metro Kino/Filmarchiv Austria (1. 
Johannesgasse 4, Tel. 01/512 18 03)
kinokis mikrokino praesentiert in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria:
<Das Herz der Welt schlug in Wien> Zwei Filme der Linken im Kalten Krieg.

Zwei Dokumentarfilme aus dem Jahr 1954, beide sind auf unterschiedliche 
Weise mit österreichischen Schauplätzen verbunden: Mitten im Kalten 
Krieg zeichnete Joris Ivens monumentaler Film <Lied der Stroeme> das 
Panorama einer globalen Arbeiterbewegung. Die Geschichte dieses Filmes 
beginnt in Wien, wo 1953 ein Kongress des Weltgewerkschaftsbundes 
stattfand. Als der fertige Film ein Jahr später in einer von 
Anti-Kommunismus geprägten Atmosphäre in Wien gezeigt wurde, produzierte 
der Österreichische Friedensrat gerade einen kurzen Film gegen 
Militarismus und Kriegsverherrlichung. <Schatten über unserer Heimat>, 
der seit den 50er-Jahren nie mehr aufgeführt wurde, fasziniert heute 
durch Aufnahmen, die das Klischee der statischen 50er-Jahre 
konterkarieren: Statt österreichischer Walzerseligkeit zeigt er 
Aufmärsche des Kameradschaftsbundes und Kundgebungen gegen diese 
Soldatentreffen. Beide Filme überraschen heute durch ihre alternative 
Sicht auf die unmittelbare Nachkriegszeit, deren Deutung im 
<Gedankenjahr 2005> zur Debatte steht.
Sie zeigen die Epoche des Kalten Krieges als eine Zeit heißer 
Auseinandersetzungen, international und in Österreich. Das Klima in 
Österreich war von Kalten Kriegern und einem rigiden Antikommunismus 
geprägt. In der Phase vor Abschluss des Staatsvertrags richtete sich die 
Politik der Bundesregierung und der West-Alliierten gegen einen 
befürchteten Anschluss an den Sowjet-Block, während die Linke gegen 
Anschluss-Bestrebungen an West-Deutschland agitierte. Die beiden Filme 
widerspiegeln die Tatsache, dass Wien zwischen 1950 und 1955 zum 
Treffpunkt einer internationalen Friedens- und Gewerkschaftsbewegung 
geworden war. Unter der Schirmherrschaft der sowjetischen 
Besatzungsmacht entfalteten der sich als überparteilich verstehende 
Weltfriedensrat und der kommunistisch dominierte Weltgewerkschaftsbund 
eine rege Tätigkeit. Anlässlich eines solchen Kongresses titelte die 
Österreichische Friedenszeitung: <Das Herz der Welt schlug in Wien>. 
Auch Jean-Paul Sartre war 1952 beeindruckt: <Was ich in Wien gesehen 
habe, ist der Friede>. Die Bundesregierung boykottierte diese 
Aktivitäten systematisch, die westlich orientierten Medien befolgten 
eine <Schweigefrist> während dieser Kongresse. SPÖ-Innenminister Oskar 
Helmer fürchtete eine <kommunistische Infiltration der Intellektuellen>, 
die tendenziell <zuerst umfielen> und für <politische Sachen am 
empfänglichsten waren.> (Karin Moser: 2001)
Die Remilitarisierung Österreichs im Rahmen des Kalten Krieges 
verhinderte einen tatsächlichen Bruch mit den Einstellungsmustern und 
Verhaltensdispositiven aus der NS-Zeit. Im Dezember 1954 – fast im 
selben Moment, als die beiden Filme in Wien zu sehen waren – erklärte 
der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Alfons Gorbach im Parlament: <Man muß 
den Sinn der Opfer anerkennen, die die deutschen und österreichischen 
Soldaten im Zweiten Weltkrieg gebracht haben. Von der Stunde an, da 
Rußland in den Krieg eintrat, war es für jedermann klar, daß die 
Niederlage Deutschlands in diesem Krieg die völlige Bolschewisierung 
Deutschlands und Österreichs zur Folge haben könnte, und deshalb haben 
die Frontsoldaten im Osten den Kampf um die Würde und Freiheit des 
Menschen geführt. Hier kommt uns nur eines zu, in Ehrfurcht unser Haupt 
zu neigen.> (Die Österreichische Volksstimme, 4.12.1954) Wenige Tage 
darauf wurde Gorbach das goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich 
verliehen.

Schatten über unserer Heimat
Regie: Frank W. Rossak. Produktion: Österreichischer Friedensrat.
A 1954/55, 19 Minuten, 16 mm, s/w.
Der Film beginnt mit idyllischen Bildern aus Österreich. <Die Wunden des 
Krieges scheinen wieder geschlossen. Doch wer wachsam ist, weiß, daß er 
zwar heute wieder ruhig schlafen kann, ohne von Sirenen geweckt zu 
werden. Aber wie lange noch? Vor unseren Augen wird offensichtlich ein 
neuer Krieg vorbereitet – auch hier in Österreich. Der Film zeigt das 
auf vielerlei Arten: Kriegsliteratur in unseren Buchläden, militärische 
Bauten auf österreichischem Boden, vor allem aber das Wiederaufleben 
militaristischen Treibens. Überall werden Kriegerdenkmalfeiern und 
Kameradschaftstreffen abgehalten, bei denen, wie der Film zeigt, nicht 
nur Österreicher mit ihren Auszeichnungen aus dem Hitler-Krieg 
geschmückt aufmarschieren, sondern an denen auch wiederholt unerwünschte 
Gäste aus Westdeutschland teilnehmen, nicht selten Kriegsverbrecher, die 
noch gar nicht lange wieder auf freiem Fuß sind.> So beschrieb im März 
1955 die Österreichische Friedenszeitung, das Organ des österreichischen 
Friedensrates, den Film. <Sehr geschickt blendet der Film immer wieder 
Szenen aus den 30er Jahren abwechselnd mit solchen aus der Gegenwart 
ein, sodaß die Ähnlichkeit der vorbereitenden Situationen der beiden 
Zeitperioden erschreckend deutlich wird.> Die Stimme des Off-Kommentars 
wendet sich von Beginn an direkt ans Publikum: <Geht es nicht auch Dich 
an? – Es ist dein Land!> Seine anti-militaristische Rhetorik ist 
wesentlich gefärbt von einem starken Österreich-Patriotismus. Die 
<Schatten>, die <über unserer Heimat> liegen, rühren aus der 
Vergangenheit, die von deutschen Wehrmachtsgenerälen wie dem 
Bundestagsabgeordneten Hasso von Manteuffel oder Albert Kesselring, dem 
Führer des westdeutschen Soldatenbundes <Stahlhelm>, wieder zum Leben 
erweckt werden sollte. Der Film stellt die Aktivitäten der 
überparteilichen Friedensbewegung, sie ist <das Gewissen Österreichs>, 
dagegen: Katholikinnen und Katholiken, Sozialistinnen und Sozialisten, 
Kommunistinnen und Kommunisten, Parteilose, ehemalige <KZler>. 
Polizisten nehmen Demonstranten ihre Soldatengrabkreuze aus Pappe ab. 
Anlässlich einer Kundgebung von <Salzburger Frauen gegen 
Anschlusspropaganda und Soldatentreffen> am 29. Mai 1954 spricht bei 
strömendem Regen die Halleiner Widerstandskämpferin Agnes Primocic, die 
heuer übrigens ihren 100. Geburtstag feierte, leider übertönt vom 
Off-Kommentar.

Einleitendes Gespräch mit Peter Schauer, geb. 1930, Präsident des 
Österreichischen Verbandes der Filmarchivare, ehemaliger 
Lehrbeauftragter für Filmgeschichte an der Filmakademie Wien. Peter 
Schauer war letzter Produktionsleiter der Pax-Film, der Produktionsfirma 
des 1957 verstorbenen Frank W. Rossak. Er hat an der Wiederentdeckung 
von SCHATTEN ÜBER UNSERER HEIMAT maßgeblichen Anteil und wird über die 
Filmarbeit des Friedensrates sowie den Produktionskontext des Filmes 
berichten.


Lied der Ströme
Regie: Joris Ivens (Mitarbeit: Joop Huiskens, Robert Menegoz). Buch: 
Vladimir Pozner, Joris Ivens. Kamera: Erich Nitzschmann sowie anonyme 
Kameraleute aus mehr als 30 Ländern. Kommentar: Vladimir Pozner. Musik: 
Dmitri Schostakowitsch. Musiktext: Bert Brecht, Semion Kirsanov. Gesang: 
Paul Robeson. Produktion: DEFA – Studio für Dokumentarfilme, World 
Federation of Trade Unions (W.F.T.U.).
DDR 1954, 107 Minuten, 35 mm, s/w, deutsche Fassung.
<Lied der Ströme> ist ein wahrhaft epischer Film über die sechs großen 
Ströme der Erde und ihre Anwohnerinnen und Anwohner: Nil, Ganges, 
Mississippi, Amazonas, Wolga und Yang-Tse. Dazu die Mitarbeit der 
Schriftsteller Bert Brecht und Wladimir Pozner, der Sänger Paul Robeson 
und Ernst Busch, des Komponisten Dmitri Schostakowitsch und von 
Kameramännern aus über 30 Ländern. Ivens besingt in einem visuellen 
Gedicht die Handarbeit, schildert die Lebensumstände der an den Flüssen 
lebenden Arbeiter und Bauern verschiedener Kulturen, die unter der Last 
des Kapitalismus leiden, die aber gemeinsam einen siebten Strom bilden: 
den Strom der Arbeiterbewegung, der an Wolga und Yang-Tse bereits 
Früchte trage. <Lied der Ströme> stellte der Metaphorik einer in 
unversöhnliche Blöcke gespaltenen Welt das affektive Bild einer alle 
Grenzen überwindenden, zusammenfließenden Menschheit entgegen. 
Narrativer Ausgangspunkt war ein Kongress des Weltgewerkschaftsbundes im 
Wiener Konzerthaus im Jahr 1953. Eine megalomane DEFA-Produktion, von 
der 18 Sprachversionen entstanden und der angeblich von 250 Millionen 
Zuschauerinnen und Zuschauern gesehen wurde. Legendär sind die 
Schwierigkeiten, mit denen Kameraleute aus Diktaturen beim Filmen 
konfrontiert waren, manche Filmrolle fand unter abenteuerlichen 
Umständen ihren Weg auf Ivens’ Schneidetisch. In den USA war der Film 
jahrzehntelang als »kommunistische Propaganda« verboten, in England und 
Frankreich wurde nur eine zensierte Fassung gezeigt.

Einleitendes Gespräch mit Thomas Tode, geb. 1962, Filmemacher und freier 
Publizist, Hamburg. Herausgeber von: Johan van der Keuken: Abenteuer 
eines Auges (1987); Chris Marker - Filmessayist (1997); Dziga Vertov - 
Tagebücher / Arbeitshefte (2000). Im Gespräch mit Thomas Tode wird es 
darum gehen, <Lied der Ströme> einerseits zeitgeschichtlich und 
dokumentarfilmhistorisch zu kontextualisieren und andererseits die 
Bedeutung des Films im Werk Joris Ivens' herauszustellen.


Links:

Filmarchiv Austria
http://www.filmarchiv.at

European foundation Joris Ivens
http://www.ivens.nl

PDF: Utopian Visions in Cold War Documentary: Joris Ivens, Paul Robeson 
and Song of the Rivers (1954) by Charles Musser
http://www.erudit.org/revue/cine/2002/v12/n3/000738ar.pdf


***


Wider das Verdrängen und Vergessen
Elf Film- und Diskussionsmodule gegen die Gedankenlosigkeit des 
Jubiläumsjahres
http://www.kinoki.at/2005module


***


Hinweis:

Symposium

Besetzte Bilder 1945-1955

Datum: 11.-12. Mai 2005
Zeit: 13.00/13.30-18.00
Ort: Metro-Kino

11. Mai

13.30

Begrüßung, Vorstellung des Buchprojekts und der Retrospektive (Karin 
Moser).

14.00
Filmische Identitäten – Die Selbstdarstellung Österreichs im Film und in 
der Wochenschau
Moderation: Karin Moser

· Vortrag Ines Steiner – Österreichische Selbstprojektionen im Spielfilm 
der Nachkriegszeit
· Vortrag Heidemarie Uhl – Politische und identitätsstiftende Mythen – 
der Bilderkanon der Austria Wochenschau

15.40 Pause

16.00
Avantgardefilm
Moderation: Thomas Ballhausen

Impulsreferat Thomas Ballhausen: „Leitlinien“

· Vortrag Maria Fritsche – Guess who’s back... Die Überwindung der 
Männlichkeitskrise im österreichischen Nachkriegsfilm
· Vortrag Juliane Vogel – Sonne halt!

Ende 18.00


12. Mai

13.00

Re-education/Reorientation und Opfermythos – Die filmische Aufarbeitung 
des Themas „Nationalsozialismus“ im Nachkriegsfilm
Moderation: Peter Grabher

· Vortrag Christoph Brecht – Nationalsozialismus als Anti-Thema im 
österreichischen Spielfilm 1945-1955?
· Vortrag Thomas Tode – „Reeducation – Filmische Umerziehung“

14.40 Pause

15.00
Der Kalte Krieg auf der Leinwand
Moderation: Gernot Heiß

· Vortrag Verena Moritz - Kino der Angst. Feindbilder und 
Bedrohungsszenarien des frühen Kalten Krieges
· Vortrag Siegfried Beer – Spionage im Film – der schmale Grat zwischen 
Realität und Fiktion
·
16.40 Pause

17.00
Moderation Gerhard Jagschitz
· Abschlussdiskussion: Bilder und Mythen der Besatzungszeit. 
Konstruierte Selbst- und Fremdbilder der Zweiten Republik und des frühen 
Kalten Krieges. Impulsreferat: Hannes Leidinger, Teilnehmer: Maria 
Fritsche, Verena Moritz, Wolfgang Müller, Ines Steiner, Frank Stern,.

Ende 18.30



revolution will not be televised
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