[kinoki-mikrokino] #145, 146 & 147 & Empfehlung: War on drugs

Tina Leisch augustine.leisch at gmx.at
Die Okt 9 08:53:59 CEST 2007


KINOKIS MIKROKINO

Politische Filmabende, 1x monatlich im depot bei freiem Eintritt.
depot, Breite Gasse 3, 1070 Wien,
http://www.depot.or.at
kinoki. Verein für audio-visuelle Selbstbestimmung
mikrokino at kinoki.at | http://www.kinoki.at
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https://kooperative.at/mailman/listinfo/kinoki-mikrokino
Förderpreis Politische Kulturarbeit 2004 der IG Kultur Österreich.

kinokis mikrokino #145
Dienstag, 16. Oktober, 19.00
Hesus

Hesus Rebolusyonaryo/Hesus the Revolutionary (Philippinen, 2002),  
Regie: Lav Diaz, 112 Min., OmenglU

Manila 2011: Der korrupte General Racellos (Lawrence Espinosa)  
kontrolliert das Land via Fernsehen und Radio. Nachts herumirrende  
Einwohner werden von paramilitärischen Gruppen angehalten und  
gezwungen die Nationalhymne zu singen. Im Würgegriff des  
faschistischen Systems blühen im Untergrund aber Widerstand,  
Literatur und Kunst. Hesus (Anthony Fernandez), Anführer der  
widerständischen Massen, wird von den Regierungstruppen gejagt. Mit  
den Mitteln des Science-Fiction Films thematisiert Lav Diaz die  
jahrelangen Repressionen während des Marcos-Regimes auf den  
Philippinen und verarbeitet traumatische Erlebnisse seiner Kindheit  
und Jugend.


Anschließend
Elisabeth Streit, kinoki/Österreichisches Filmmuseum im Gespräch mit  
Markus Keuschnigg, Filmjournalist

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Kinokis mikrokino # 146
Dienstag, 13. November 2007, 19 Uhr
KINOKI TRIFFT SPUTNIK

Anlässlich des 50. Jahrestages der Weltraumhündin Leika (am 3. Nov.  
1957 in
den Orbit geschossen) fragt Kinoki nach der Funktion des Weltraums im  
Phantasma
vom neuen Menschen. Kinoki trifft Sputnik, oder der Weltraum als Welt- 
traum
.

Utopie - ein Kinderspiel.
Lisbeth Kovacic u. Andreas Pavlic, A 2007, 16 min., Video.
Wenn es im 20. Jahrhundert den Versuch gab eine Utopie zu  
verwirklichen, dann
war es der Sozialismus. Die Energie und Hoffnung, die die Russische  
Revolution
auslöste, sollte nur der Anfang einer neuen Menschheitsgeschichte  
werden.
Aus den Kinderschuhen in die Turnschuhe des Fortschritts.  
Unaufhaltsam. Auch der
Westen schritt Vorwärts und verstreute die liberalen  
Glücksversprechen einer
umfassenden Modernität. Doch als die Menschen an diesem Kinderkram zu  
zweifeln
begannen und oben und unten mit traurigen Kinderaugen zu lachen  
anfingen -wohin
wurde dann der utopische Ort verlegt? Wohin entfliehen, wenn die  
ganze Erde
versaut und festgeschnürt ist? In die Weiten des Weltalls und auf den  
Mond.
Das Ziel war nichts gemeineres als den Topos ins Unerreichbare zu  
legen und
dort liegt es noch heute. Die Versprechen und Täuschungsversuche sind
lächerlich, wenn sie demaskiert sind. Wiederum gilt es das Unerfüllte
einzufordern.

Out of the Present.
Andrei Ujica, D 1997, 96 Min., dt. V., Video.
Die Mission des letzten sowjetischen MIR-Kosmonauten, der sich 10  
Monate im All
aufhielt, während unten die Sowjetunion verschwand. Im Mai 1991 als  
Bürger
der Sowjetunion ins All gestartet, kehrte er im März 1992 als russischer
Staatsbürger nach Hause zurück. Ursprünglich war sein Aufenthalt in der
Raumstation MIR auf fünf Monate begrenzt gewesen, doch das nach dem  
Putsch von
1991 unabhängig gewordene Kasachstan (in dem der sowjetische  
Weltraumbahnhof
liegt) bestand auf der Teilnahme eines Kasachen als Gastforscher. Der  
Kosmonaut
konnte erst zehn Monate später abgelöst werden... "Out of the  
Present"ist
eine Odyssee mit 10 Minuten Geschichte und 80 Minuten Kosmos.  
Erstmals wurde
eine 35mm-Kamera für Filmaufnahmen ins Weltall geschickt, von Vadim  
Yusov, dem
Kameramann von "Solaris". In 92 Minuten kreist die MIR-Station einmal  
um die
Erde, genauso lang dauert der Film. Der Rest ist Abspann.

Anschließend Diskussion in Anwesenheit der FilmemacherInnen.

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kinokis mikrokino #147
Dienstag, 18. Dezember, 19.00
"Endlich ein Afrikafilm ohne Weiße"



Filmvorführung von Omaru – eine afrikanische Liebesgeschichte (A 1955)

und Buchpräsentation: Vida Bakondy/Renée Winter: „Nicht alle Weißen  
schießen“.

Afrikarepräsentationen im Österreich der 1950er im Kontext von (Post-) 
Kolonialismus

und (Post-)Nationalsozialismus, Studienverlag 2007.



1954 reist ein 5-köpfiges österreichisches Filmteam unter der Leitung  
des Regisseurs Albert Quendler und des „Großwildjägers“ und  
„Afrikaforschers“ Ernst A. Zwilling ins koloniale Kamerun. Das  
Ergebnis der achtmonatigen Dreharbeiten im Norden und Extremen Norden  
Kameruns ist der 1955 fertig gestellte Dokumentar-Spielfilm „Omaru –  
eine afrikanische Liebesgeschichte“, der in der zeitgenössischen  
Presse als Film, der „endlich Afrika ohne schießende Weiße“ zeige,  
gefeiert wurde.

Die Konstruktion eine "authentischen Afrika" wurde nicht zuletzt mit  
Hilfe der Unsichtbarmachung von Weißsein und weißen (kolonialen)  
Spuren versucht.

Auch durch die Verknüpftheiten mit den Biographien des beratenden  
"Afrikaforschers" Ernst A. Zwilling und des Regisseurs Albert  
Quendler stehen die hergestellten (Film-)Bilder und Narrationen im  
historischen Kontext kolonialrevisionistischer  
nationalsozialistischer Bestrebungen in Österreich und des  
spektakulären Vorführens von "dem Anderen".

Vida Bakondy und Renée Winter beschäftigten sich seit 2001 mit dem  
von der österreichischen Filmhistoriographie bisher kaum beachteten  
Film „Omaru – eine afrikanische Liebesgeschichte“, seinen  
Produktionsbedingungen und Rezeptionsmöglichkeiten. Dieses Projekt-in- 
progress führte sie 2007 auch nach Kamerun, an die Produktionsorte  
des Films, wo Gespräche vor Ort wiederum neue Blicke auf diese  
österreichische Produktion eröffneten.

Präsentiert von Vida Bakondy und Renée Winter





   
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KINOKI empfiehlt:

THE WAR ON DRUGS
Zu sehen ab 12.10.07 im Top-Kino
6, Rahlgasse 1, 01/ 208 3000

Doris Kittler im Augustin:

"Leicht hat es sich sebastian j.f. nie gemacht. Für
seinen aktuellen Dokumentarfilm The War on Drugs
(Krieg gegen Drogen) fuhr er trotz aller Warnungen in
eines der, auch für Einheimische, gefährlichsten
Gebiete Kolumbiens, um dort direkten Kontakt mit
Kokabauern zu suchen. Sein Interesse war, die
vermeintlichen VerursacherInnen allen Drogenübels als
Opfer einer drakonischen und menschenverachtenden
Politik der US-Drogenbehörde DEA aufzuzeigen.
Entstanden ist ein berührender Film über Schicksale
einzelner, die von der selbst ernannten „Weltpolizei“
seit nunmehr drei Jahrzehnten zu Sündenböcken gemacht
und deren Existenzen zerstört werden, während der
Drogenkonsum weltweit blüht und gedeiht.

Das Thema, das sebastian j.f. in seiner neuesten
Arbeit aufgreift, ist ebenso bedeutend wie weithin
unbemerkt. Was in den 70er-Jahren als Richard Nixons
„Krieg gegen Drogen“ begann, um Marihuana, Kokain,
Heroin oder Amphetamine von ihrer Erzeugung bis hin zu
deren Konsum zu bekämpfen, ist heute zur Investition
unüberschaubarer Summen und Aktionen herangewachsen.
Um etwa Koka- und Mohnpflanzen in Kolumbien schon beim
Wachsen zu vernichten, hat man sich die makabere
Maßnahme ausgedacht, riesige Landstriche von
Flugzeugen aus mit Pflanzenvernichtungsmitteln zu
besprühen. Seit Jahren zerstört man damit auch
Sämtliches, das rundherum wächst und verletzt dabei
gleichzeitig unschuldige Zivilbevölkerung. Das einzige
Gewächs, das die Giftattacken halbwegs unbeschadet
überlebt, ist zynischerweise die Kokapflanze.
„Was mich in erster Linie interessiert hat, ist, die
Spannung zwischen dem erklärten Vorhaben hier, das
Drogenproblem in den Griff zu bekommen, versus dem
tatsächlichen Ergebnis, nämlich dem seltsamen Effekt,
dass die meisten Maßnahmen genau das Gegenteil
erreichen - das Drogenproblem verschlimmern,“
erläutert sebastian j.f. seinen Zugang. "Alle
Involvierten wissen, dass die Maßnahmen das Problem
nur verschärfen und doch machen sie so weiter als
wär's das normalste überhaupt. Das ist die klassische
Definition von Wahnsinn: denselben Vorgang immer
wieder zu wiederholen und ein anderes Ergebnis zu
erwarten..."
Diese Aussage bezieht der Regisseur ebenfalls auf den
Umstand, dass in den USA derzeit 2,2 Millionen
Menschen hinter Gittern sitzen (in keiner Demokratie
wurde je ein so hoher Prozentsatz der Bevölkerung
eingesperrt), während der Drogenhandel mit 7% (!) des
Welthandels heute stärker als je zuvor ist. Das liegt
zu einem wesentlichen Teil an der Illegalisierung,
welche die Drogen unbestritten besonders anziehend
machen; besonders für Jugendliche, für deren
Identitätsfindung das Rebellieren gegen Autoritäten
bekanntlich wichtig ist.
Wie drakonisch und wie zutiefst ungerecht und
menschenverachtend die Strafen vollzogen werden, zeigt
der Film symptomatisch anhand von Beispielen
Einzelner.
Selbst Menschen, die niemals im Leben Drogen gedealt
oder konsumiert haben, sitzen jahrelang,
jahrzehntelang, lebenslang im Gefängnis. Die Justiz
siegt über die Wahrheit und lässt sich und ihre
Erfolgszahlen siegestrunken feiern.

Wie schafft man es als Filmteam, emotional distanziert
zu bleiben, wenn man Interviews mit Leuten führt, die
trotz ihrer Unschuld keine Chance auf Freilassung
haben? „Gar nicht,“ so der Regisseur. "Sharanda Jones
(einer der Häftlinge, Anm. d. Autorin) ist Teil meines
Lebens geworden, ich kann sie nicht aus meinen Kopf
verbannen, daher: solange ich lebe, wird mir bewusst
sein, dass sie in einer Betonzelle sitzt, aus der sie
nach menschlichem Ermessen nicht mehr lebendig
rauskommen wird."

Das europäische Publikum läuft freilich Gefahr, die
Schuld allein in den USA zu sehen und sie so von
Europa und persönlich abzuschieben. Dazu der
Regisseur: „Wir sind da nicht wirklich besser, der
einzige echte Unterschied ist da vielleicht eine sehr
verschiedene Rechtstradition, wenn es um Delinquenz
geht und wie damit umgegangen wird, wie drakonisch die
Strafen sind - siehe auch Todesstrafe in den USA.
Ansonsten nehmen wir Europäer an diesem Krieg genauso
Teil, machen dieselben Fehler etc.“.

sebastian j.f. liefert einen in mehrfacher Hinsicht
erstaunlichen Film. Man spürt nach Erleben dieser
eineinhalb Stunden fast physisch, dass man es hier
lediglich mit signifikanten Beispielen zahlloser
Menschenrechtsverletzungen zu tun hat, die global
jeden Tag passieren. Die Qualität der Arbeit macht
aber auch ihre gewisse Leichtigkeit aus, die es
schafft, einen mit ansonsten spröden Zahlen und Fakten
in ihren Bann zu ziehen, ganz so, als wäre man Teil
der Geschichte. Wo wir politische Entscheidungsträger
erleben, die sich in Interviews eitel selbst
entblößen, werden in der nächsten Sekunde deren
Ordnungsrufe und Rechtfertigungen ad absurdum geführt,
wenn Ex-Polizisten sich für die Legalisierung von
Drogen aussprechen. The War on Drugs versucht trotz
(oder wegen) der Härte des Themas auch einen
humorvollen Umgang mit diesem dunklen Kapitel
Zeitgeschichte. Etwa so wie Odysseus, der sich über
die Götter lustig macht, um sie auf diese Weise vom
Thron herunterzuholen. Bleibt zu hoffen, dass es dem
Film gelingt und er zu mehr Gerechtigkeit verhilft.
Not to be missed!"

www.the-war-on-drugs.com


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