[kinoki-mikrokino] Vorschau #127 - Di 28.6. HTU CineStudio: Shocking and Awful. Friedensbewegung und Community Media in den USA (mit Deedee Halleck und Joel Kovel)

p p@kinoki.at
Fri, 03 Jun 2005 15:48:44 +0100


KINOKIS MIKROKINO

Politische Filmabende, an diversen Orten auftauchend.
kinoki. Verein fuer audio-visuelle Selbstbestimmung
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Foerderpreis Politische Kulturarbeit 2004 der IG Kultur Oesterreich.

Einladung #127

Dienstag 28.6.2005, 20:00, HTU CinéStudio (AudiMax der TU, Getreidemarkt 
9, 1060 Wien), UKB 5 Euro
kinokis mikrokino #127 präsentiert in Kooperation mit dem HTU CinéStudio:
Shocking and awful. Friedensbewegung und Community Media in den USA
Videos und Diskussion mit Deedee Halleck und Joel Kovel (New York)

Shocking and Awful. A Grassroots Response to War & Occupation
USA 2003-2005, Videoserie, DVD, englisch; hergestellt von über 100 
Einzelpersonen und Gruppen; Entwicklung und Projektkoordination: Brian 
Drolet & Deedee Halleck (Wir zeigen 3 von insgesamt 13 halbstündigen 
Teilen).
<SHOCKING AND AWFUL finden viele Leute die aktuelle Situation im Irak 
und in den Vereinigten Staaten. Der Krieg fordert weiter seinen Tribut 
von irakischen ZivilistInnen, internationalen HelferInnen, 
JournalistInnen und U.S.-Truppen. Auch hier zuhause sehen wir, wie sich 
die Politik eines 'perpetual war' auf unser Leben auswirkt. Deep Dish TV 
hat dreizehn Programme über den Krieg und die Okkupation gesammelt und 
produziert, die via Free Speech TV und Community Access-Kanäle überall 
in den USA gezeigt werden. Die Programme beschäftigen sich mit den 
Implikationen und Konsequenzen der jüngsten militärischen Aktionen. Die 
Serie zeigt auch, wie Leute auf verschiedensten Ebenen Widerstand 
mobilisieren. SHOCKING AND AWFUL wurde von unabhängigen 
VideoaktivistInnen produziert, die nicht an Lügen verdienen, sich nicht 
einschüchtern lassen und die daran glauben, dass die Schaffung einer 
gerechten Welt der Weg ist, um Terror zu bekämpfen. Sie äußern und 
organisieren sich, um der Propaganda und der Täuschung zu begegnen, 
welche weiter den Mainstream dominieren.>
(aus: www.deepdishtv.org)

Einleitung und Gespräch mit Deedee Halleck und Joel Kovel.

Deedee Halleck ist Filmemacherin, Medienaktivistin, Gründerin von Paper 
Tiger TV und Mitbegründerin von Deep Dish TV - eines 
satellitengestützten grassroots-TV-Senders in den USA -, sowie 
emeritierte Professorin am Department of Communication der University of 
California in San Diego. Seit den 70er Jahren ist sie eine der 
wichtigsten AktivistInnen der US-amerikanischen 
Alternativ-Medienlandschaft. 1991 war sie Koordinatorin des Gulf Crisis 
TV Project. Während des WTO-Gipfels in Seattle war sie 1999 wesentlich 
am Aufbau des Independent Media Centers beteiligt. Filme: Children make 
movies (1961), The Gringo in Mañanaland (1995), Lock Down USA (1996). 
Publikation: DeeDee Halleck: Hand Held Visions: The Impossible 
Possibilities of Community Media. Fordham University Press (2001).

Joel Kovel ist Psychoanalytiker, Sozialwissenschaftler und Aktivist. Er 
ist Professor für Social Studies am Bard College, Annandale NY und 
Herausgeber der Zeitschrift Capitalism Nature Socialism. Seit dem 
Vietnamkrieg engagierte er sich in der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung, 
in der Solidariätsbewegung für Zentralamerika, Nicaragua und Kuba. 1990 
trat er der Green Party bei und war 1998 grüner Kandidat bei der Wahl 
zum US Senator von New York. Er spielte in Filmen mit und arbeitet mit 
dem Bread and Puppet theatre zusammen. Publikationen: White Racism 
(1972), A Complete Guide to Therapy, The Age of Desire, Against the 
State of Nuclear Terror, In Nicaragua, The Radical Spirit, History and 
Spirit (1991), Red Hunting in the Promised Land (1994), The Enemy of 
Nature: The End of Capitalism or The End of the World (Zed, 2002).

Links:

Deedee Hallecks Website
http://www.deedeehalleck.org

Deep Dish T.V. Network - The First National Grassroots Satellite Network
http://www.deepdishtv.org

Paper Tiger Television, NYC
http://www.papertiger.org

Joel Kovels Website
http://www.joelkovel.org

Capitalism Nature Socialism Journal
http://www.cnsjournal.org

HTU CinéStudio
http://www.cinestudio.at


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Hinweise:

1) 6.6. literaturhaus: things.places.years mit katherine klinger und 
ruth sands
2) 8.6. ekh/queer beisl: artikel 7 - unser recht!
3) 2.6.-22.7. ig bildende kunst: born to be white
4) juni filmmuseum: brasilien - Cinema Novo und tropische Moderne, 
1926-2003
5) 7.-31.7 filmarchiv: praterfilmfestival

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1) 6.6. literaturhaus: things.places.years mit katherine klinger und 
ruth sands

liebe freundInnen, aktivistInnen und unterstützerInnen,

wir möchten euch herzlich einladen zur buch- und filmpräsentation "things.
places. years" im literaturhaus am montag den 6. Juni um 19 uhr:
österreichische exilbibliothek, literaturhaus, seidengasse 13, 1070 wien.

zuerst wird der film gezeigt (70min) und anschließend gibt es ein 
gespräch mit
katherine klinger und ruth sands, die aus london anreisen. sprich: für
diejenigen, die den film schon kennen: vielleicht habt ihr lust, 
anschließend
zur diskussion zu kommen...

wir freuen uns auf euch und bitten um weiterleitung über eure 
mailinglisten,

viele grüße
klub zwei: simone bader und jo schmeiser


* BUCH "things. places. years. das wissen Jüdischer frauen", ausgewählte
passagen aus den rechecheinterviews für den film, 400 seiten, 
studienverlag 2005

** FILM "things. places. years.", 70min, A/GB 2005 (www.sixpackfilm.com,
www.amourfou.at, www.klubzwei.at)

PRESSESTIMMEN

"Erfahrungen von Vertreibung, Emigration und Holocaust werden oft in der
Vergangenheit verortet. Der Dokumentarfilm 'Things. Places.Years.' 
bringt diese
Vergangenheit in die Gegenwart und zeigt, wie sie das Leben von zwölf in 
London
beheimateten Frauen durch drei Generationen prägt. 'Things. Places.Years.'
konstruiert keine homogene, weibliche Identität. Der Film gibt den 
Frauen Raum,
um über ihre Identität zu sprechen, die komplexer ist als die 
Feststellung, dass
manche von ihnen Jüdinnen sind. Eine Feststellung, die im 
Nationalsozialismus zu
Vertreibung und Ermordung führte. Eine Feststellung, die Menschen mit 
jüdischem
Hintergrund zu Juden und Jüdinnen macht. Wie sie sich selbst sehen, hat 
sie bis
zu diesem Film kaum jemand gefragt.
Rosa Reitsamer (Wien)

"Frauen sind als Subjekte der Geschichte und der Erinnerung noch immer
unterrepräsentiert. 'Things. Places. Years.' will jedoch anderes als nur 
ein
Defizit ausgleichen und eine Ergänzung bestehender Narrative leisten. Die
Bedeutung von Geschlecht konkretisiert sich für die Protagonistinnen 
zunächst
darin, dass die Mühsal ihrer beruflichen Wege auch von der Tatsache 
bestimmt
war, dass sie für die affektive und reproduktive Arbeit in den Familien
zuständig waren. Wie viele andere Frauen auch steck(t)en sie in dem 
Dilemma,
Familie und Beruf miteinander zu verbinden. Dennoch zeigt sich, dass 
Kinder und
Familie für Jüdische Frauen andere Bedeutungen haben und mit anderen
Verantwortungen einhergehen als dies für Nachfahren der TäterInnen der Fall
ist."
Antke Engel (Hamburg)

"Die Interviews werden thematisch (und nicht biografisch) strukturiert. 
Das ist
schon ein Hinweis darauf, dass die Erfahrungen Einzelner hier als
paradigmatisch verstanden und vermittelt werden. Darüber hinaus werden die
Frauen nicht auf jene Erfahrungen reduziert, die an ihre Herkunft gekoppelt
sind, sondern kommen auch in ihren beruflichen Funktionen als
Wissenschafterinnen, Kuratorinnen oder Autorinnen zu Wort. 'Things. Places.
Years.' ist geprägt von einer Atmosphäre ruhiger Distanz und Präzision. 
Hier
wird dezidiert keine Gefühlspolitik betrieben, sondern vielmehr nüchtern 
und
respektvoll betrachtet und aufgezeichnet. Gerade im 'Gedankenjahr 2005' ein
beispielhafter Zugang zum Umgang mit jenem Teil der Geschichte, den 
manche nur
zu gerne als abgeschlossen betrachten würden."
Isabella Reicher (Wien)

***

2) 8.6. ekh/queer beisl: artikel 7 - unser recht!

Mi. 08. Juni 2005, 19 h Einlass/Filmbeginn 20 h:
Queer Beisl, EKH, 10., Wielandg. 2-4, > U1 (www.med-user.net/ekh)

ARTIKEL 7 - UNSER RECHT! / CLEN 7 - NASA PRAVICA!
Österreich/Slowenien 2005, 83 Min.
(deutsch-slowenische Originalversion m. deutschen Untertiteln)
Konzept und Realisation Thomas Korschil und Eva Simmler
Eine Navigator Film Produktion

mit Mojca Drcar Murko, Peter Gstettner, Janko Messner, Mirko Messner, 
Helga Mracnikar, Maja Sticker, Marjan Sturm, Hellwig Valentin, Rudi 
Vouk, Vladimir Wakounig, Angela Wieser

Artikel 7 - Unser Recht! / Clen 7 - Nasa Pravica! behandelt den Kärntner 
Minderheitenkonflikt in einer historischen Perspektive. Ausgehend von 
der in den letzten Jahren wieder aktuell gewordenen Frage der 
(fehlenden) zweisprachigen Ortstafeln versucht der Film eine umfassende 
Darstellung der Auseinandersetzungen um die Rechte der Kärntner 
Slowenen. Angesichts des 50-jährigen Jubiläums des Staatsvertrags, in 
dessen 7. Artikel die Minderheitenrechte festgeschrieben worden sind, 
und der gerade wieder stattfindenden „Konsenskonferenzen“ ist es ein 
Film von höchster Aktualität und Brisanz.
„Artikel 7 - Unser Recht! ist ein Film, der Zeugnis ablegt: von 
Versuchen, eine Minderheitenpolitik in Österreich durchzusetzen und von 
dem Widerstand dagegen; von der fragwürdigen Identität dieser Republik, 
die seit Jahrzehnten den Staatsvertrag und die Verfassung bricht und der 
konstant in Frage gestellten Identität der Kärntner SlowenInnen; von 
historischen Ereignissen und deren medialer Wahrnehmung.“
Sylvia Szely, www.diagonale.at/materialien

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3) 2.6.-22.7. ig bildende kunst: born to be white

„Born to be white”
Rassismus und Antisemitismus in der weißen Mehrheitskultur

IG Bildende Kunst, Gumpendorfer Straße 10-12, 1060 Wien
www.igbildendekunst.at

Dauer der Ausstellung
2. Juni bis 22. Juli 2005

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag: 10.00 bis 18.00 Uhr

AUSSTELLUNG

Fatih Aydogdu (A) – „Dirty Tones. ‘You Don’t Care.’“
BUM – Büro für ungewöhnliche Maßnahmen (A) – „Deutsch für Inländer“
Melissa Gould (USA) – „Schadenfreude“
Kanak TV (D) – „Weißes Ghetto“
Anna Kowalska (A) – „Weißwerden”

DISKUSSIONSREIHE

Katherine Klinger (London)
Das Gegenteil des Schweigens. Wie wirkt der Nationalsozialismus auf die 
Nachfolgegenerationen?
Freitag, 3. Juni 2005, 19.00 Uhr

Araba Johnston-Arthur (Wien)
Ein Schwarzer Beitrag zur Dekonstruktion österreichischer Realitäten
Donnerstag, 16. Juni 2005, 19.00 Uhr

Jamika Ajalon (London/Paris)
„Recently I bought a white hat“. Transnationale Erfahrungen des 
Schwarz-Seins
Donnerstag, 23. Juni 2005, 19.00 Uhr

Heribert Schiedel (Wien)
Siegfrieds Phobien: Der „arische“ Männerbund und die Kastrationsabwehr
Donnerstag, 30. Juni 2005, 19.00 Uhr

BROSCHÜRE

Die Broschüre beinhaltet einen einführenden theoretischen Text zum 
Ausstellungskonzept und Texte zu den künstlerischen Arbeiten. Im 
Anschluss findet sich eine ausführliche Link- und Literaturliste zu den 
Themen Rassismus, Antisemitismus und Whiteness. Die Broschüre dient 
engagierten BesucherInnen und in den Feldern Politik, Kunst und 
Wissenschaft als Arbeitsgrundlage. Sie kann während der 
Ausstellungsdauer in der IG Bildende Kunst käuflich erworben werden.


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4) juni filmmuseum: brasilien - Cinema Novo und tropische Moderne, 
1926-2003

Filmmuseum im Juni:
Cinema Novo und tropische Moderne, 1926-2003

Programm unter http://www.filmmuseum.at/

Im Rahmen der Wiener Festwochen 2005 präsentiert das Filmmuseum eine 
umfangreiche Retrospektive des brasilianischen Kinos. Es ist die größte 
und aufwendigste Schau zu diesem Thema, die je in Österreich 
veranstaltet wurde: Ihr Zeitraum reicht von der Avantgarde der 1920er 
Jahre bis zum Kino der Gegenwart, die Filme sind zum Teil erstmals in 
Europa und vielfach in neu restaurierten Fassungen zu sehen.

Die rund 50 Werke umfassende Auswahl wird geleitet von der bedeutenden 
Rolle des brasilianischen Films im Wechselspiel mit den starken 
Aufbruchsbewegungen, "Modernismen" und populär-oppositionellen 
Kunstströmungen, die dieses Land seit nahezu hundert Jahren auszeichnen.

Im Mittelpunkt steht das Cinema Novo, die weltweit gefeierte und äußerst 
einflussreiche Erneuerung des brasilianischen Kinos in der 60er Jahren, 
die mit Filmen wie Bahia de Todos os Santos (1960), Vidas secas (1963), 
Os fuzis (1963), Porto das Caixas (1963) und Deus e o diabo na terra do 
sol (1964) in Bewegung kam. Beeinflusst vom italienischen Neorealismus 
und der Nouvelle Vague und getragen von Regisseuren wie Glauber Rocha, 
Nelson Pereira dos Santos, Ruy Guerra oder Carlos Diegues, blieb das 
Cinema Novo weit über den Beginn der brasilianischen Militärdiktatur 
(1964) hinaus prägend für den politisch-kulturellen Diskurs. Es entstand 
auf der Basis wirtschaftlicher, sozialer und kultureller 
Modernisierungsbestrebungen unter Präsident Kubitschek in den späten 
50er Jahren - einer zutiefst optimistischen Ära, die ihre Symbole im 
Bereich der Architektur (Lúcio Costas und Oscar Niemeyers Brasilia, die 
neue Hauptstadt) und der populären Musik (der globale Siegeszug des 
Bossa Nova), aber auch in der Alltagskultur fand: 1958 wurde Brasilien 
mit Spielern wie Pélé und Garrincha zum ersten Mal Fußballweltmeister.

Vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Polarisierung und politischer 
Militanz trat das Cinema Novo mit seiner "Ästhetik des Hungers" ab 1960 
als emphatisches und kritisches Korrektiv für die brasilianische 
Gesellschaft auf - bis hin zur Radikalkritik, wie sie in Glauber Rochas 
wildem Meisterstück Terra em transe (1967) formuliert wird. Der 
"tragische Karneval der brasilianischen Politik" (Rocha) in den 60er 
Jahren konnte der filmkulturellen Hegemonie der Linken lange Zeit nichts 
anhaben; erst die verschärfte Repression nach dem zweiten Militärcoup 
(1968) machte eine Veränderung der Strategien nötig: vom Ausweichen in 
die populären Allegorien des Tropicalismo - wie in dem überbordenden 
Macunaíma von Joaquim Pedro de Andrade - über die Etablierung eines sehr 
lebendigen Underground-Kinos und einer "Ästhetik des Abfalls" (z.B. 
Bangue Bangue von Andrea Tonacci oder die Horrorfilme des Kultregisseurs 
José Mojica Marins) bis hin zum Gang ins Exil, nach Kuba oder Europa 
(wie im Fall von Rocha, Guerra und Diegues).

Die brasilianische Kino-Moderne lässt sich allerdings nicht auf das 
Cinema Novo reduzieren. Schon in den 20er Jahren suchten brasilianische 
Künstler Anschluss an die internationale Avantgarde und erhoben zugleich 
den Anspruch auf eigenständige, nationale Formen der Moderne - wie im 
literarischen Modernismo oder in Oswald de Andrades Movimento 
antropófago ("Kannibalistische Bewegung": die Einverleibung fremder 
Einflüsse), welche bis heute immer wieder aufgegriffen werden. Die 
vielstimmige Verbindung von Modernität, Folklore, populären 
Ausdrucksformen und den unterschiedlichen Erfahrungen der Eingeborenen, 
der ehemaligen Sklaven sowie der ehemaligen Kolonisatoren ist für 
Brasiliens "tropischen Multikulturalismus" (Robert Stam) eine 
wesentliche Strategie geblieben.

Filme wie São Paulo, a symphonia da metrópole (1929), Limite (1931, 
Geniestreich und einziger Film des 20jährigen Künstlers Mário Peixoto) 
oder Braza dormida und Ganga bruta (zwei Hauptwerke des großen auteurs 
Humberto Mauro) zeugen vom Einfluss der westlichen wie der 
brasilianischen Avantgarde auf das Kino. Mauro und später auch Peixoto 
wurden zu wichtigen Vorbildern für das Cinema Novo und Cinema Marginal. 
Der vielleicht bekannteste brasilianische Filmavantgardist, Alberto 
Cavalcanti, war in den 20er und 30er Jahren ausschließlich in Europa 
aktiv, seine frühen Werke wie Rien que les heures (1926) wirkten 
allerdings stark auf die heimische Kunstszene zurück. Den umgekehrten 
"Wirkungsweg" beschreibt Orson Welles' brasilianisch-US-amerikanischer 
Dokumentarfilm It's All True (1942), der erst 1993 - in einer 
Rekonstruktion des überlieferten Materials - vorgestellt wurde: Dieser 
"linksliberale film maudit", der für Welles' Bruch mit Hollywood 
mitverantwortlich war, ist später von brasilianischen Regisseuren (vor 
allem im Werk von Rogério Sganzerla) immer wieder zitiert und 
"weitergeschrieben" worden.

Auch seit dem "offiziellen Ende" des Cinema Novo (Mitte der 70er Jahre) 
hat sich das brasilianische Kino mit einer Vielzahl avancierter, 
"polyphoner" und selbstreflexiver Positionen hervorgetan. Ab 1974 wurden 
sowohl demokratische als auch filmpolitische Fortschritte sichtbar: Der 
Ausbau staatlicher Filmförderung führte zu einer Situation, in der 
künstlerisch und ökonomisch erfolgreiche, zum Teil sozialkritische 
Autorenfilme als internationale "Visitenkarten" einer langsam 
abflauenden Diktatur fungierten. Dazu zählen herausragende Spätwerke der 
Cinema-Novo-Generation wie A Queda von Ruy Guerra oder Bye Bye Brasil 
von Carlos Diegues, aber auch Arbeiten jüngerer Regisseure wie der 
Welterfolg Pixote (1980) des aus Argentinien emigrierten Hector Babenco.

Nach einer längeren Krise Mitte der 80er bis Mitte der 90er Jahre, in 
der die Filmproduktion fast zum Stillstand kam (paradoxerweise in der 
Zeit der ersten demokratisch gewählten Zivilregierung seit 1964), ist 
das brasilianische Kino seit einigen Jahren wieder aufgeblüht - in 
lebendiger Beziehung zur zeitgenössischen Populärkultur. Die Mythologien 
des Sertão (des feudal geprägten Hinterlands im Nordosten Brasiliens) 
und des Cangaço (soziales Banditentum) kehren allerdings ebenso aus der 
Zeit des Cinema Novo zurück wie die Debatten um eine nationale Identität 
- bzw. das "schlechte Gewissen" oder der Zorn angesichts anhaltender und 
massiver Ungerechtigkeit zwischen den Klassen und Kulturen.

Ein Sektor, in dem diese Fragestellungen auf sehr avancierte und 
selbstkritische Weise aufgegriffen werden, ist der Dokumentarfilm. 
Eduardo Coutinho, der größte Filmdokumentarist seines Landes, untersucht 
mit Mitteln des Cinéma vérité und des Essayfilms die soziale 
Wirklichkeit und die politische Geschichte Brasiliens - z.B. in seinem 
Meisterwerk Cabra marcado para morrer (vinte anos depois), das im 
gefährlichen Wendejahr 1964 begonnen und erst 1984, im 
"entgegengesetzten" Wendejahr, fertiggestellt wurde. Andere Arbeiten wie 
der semidokumentarische Spielfilm Iracema (1975) von Jorge Bodansky oder 
der Essay Mato eles? (1983) von Sérgio Bianchi lösten einen komplexen 
Nachdenkprozess über das Verhältnis des modernen Brasilien zu seinen 
Ureinwohnern aus.

Zuletzt sind auch die selbstreflexiven Filme, die vom Kino selbst 
erzählen, in Brasilien ungewöhnlich stark vertreten: Neben Rogério 
Sganzerlas Brasil und Nem tudo é verdade (1978-85, zum 
Orson-Welles-Komplex) stellt die Retrospektive aktuelle Filmessays über 
die wilde Schönheit im Werk von Regisseuren wie Mário Peixoto, José 
Mojica Marins oder Glauber Rocha vor. Mit ihnen schließt sich ein Kreis: 
In seinen überzeugendsten Manifestationen ist das brasilianische Kino 
bis heute eine Geschichte der Passionen und ein Fall für 
leidenschaftliche Utopisten und Rebellen geblieben.

Diese außergewöhnliche Retrospektive konnte nur dank der großzügigen 
Unterstützung vieler Institutionen und Personen realisiert werden. Der 
Dank des Filmmuseums gilt vor allem Carlos Magalhães und Fernanda 
Guimarães (Cinemateca Brasileira), Paulo Roberto da Costa Pacheco 
(Brasilianische Botschaft in Wien), Ingrid Starke (Instituto Cultural 
Brasileiro na Alemanha, Berlin), dem Kultur- und dem Außenministerium 
Brasiliens sowie Fritz Frosch, Olaf Möller und Robert Stam.

Ebenfalls im Rahmen der Wiener Festwochen findet im Konzerthaus das 
zweitägige Gaucho Festival statt.

***

5) 7.-31.7 filmarchiv: praterfilmfestival

Filmarchiv Austria - Presseinformation

PRATER FILMFESTIVAL
Open-Air-Kino auf der Kaiserwiese 7. bis 31. Juli 2005

PRATER.KINO.WELT
Ausstellung im Pratermuseum 7. Juli bis 29. September 2005

Das Schausteller- und Jahrmarktsmilieu bildete den kulturellen Rahmen für
die Vor- und Frühgeschichte des Kinos. Der Wiener Prater gilt dabei seit
Jahrhunderten als Zentrum des institutionalisierten Vergnügens. Zum
50-jährigen Bestandsjubiläum spürt das Filmarchiv Austria einem zentralen
Ursprungsmythos der österreichischen Kinogeschichte nach und widmet dem
Wiener Prater „on location“ eine filmische Hommage.

Das erste Prater Filmfestival greift die lange Tradition der Kinematografie
im Leopoldstädter Vergnügungsviertel auf. Direkt vor dem Riesenrad, auf der
Kaiserwiese, dem historischen Gelände von „Venedig in Wien“, zeigt das
Filmarchiv Austria ein Open-Air-Festival, präsentiert Kino im
Vergnügungspark – von MERRY-GO-ROUND bis LUNA PARK illustrieren Beispiele
durch alle Epochen der Filmgeschichte die ewig lustvolle Beziehung zwischen
Kino und Jahrmarkt. Der Prater war dabei immer wieder ein bevorzugter
Schauplatz für österreichische und internationale Spielfilme. Ein Special
zeigt die Praterkinowelt in der sich auch einige der denkbar schönsten
Momente und Stimmungen des legendären alten Praters verewigt haben.

Prater.Kino.Welt ist auch der Titel der begleitenden Ausstellung, die das
Wien Museum in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria im Pratermuseum 
zeigt.
Die Schau präsentiert einerseits eine Archäologie des Kinos im Wiener
Prater, andererseits nimmt sie Bezug auf die Geschichte der bewegten 
Bilder,
auf die frühen Illusions- und Laufbildmaschinen, die um 1900 im Prater zu
sehen waren und den Weg zum Kino markierten.

Begleitend zum Praterfilmfestival und zur Ausstellung erscheint im Verlag
Filmarchiv Austria der von Christian Dewald und Werner Michael Schwarz
herausgegebene Katalog-Textband Prater.Kino.Welt. Außerdem veröffentlicht
das Filmarchiv seine historische Praterfilmsammlung erstmals auf DVD.

Auf der Kaiserwiese runden Gastronomiebetriebe dieses außergewöhnliche
Kulturangebot ab.
Alle Filme bei freiem Eintritt!

Das Prater Filmfestival ist eine Veranstaltung des Filmarchiv Austria in
Kooperation mit Wien Marketing und wird von den beiden Hauptsponsoren UPC
Telekabel und Flughafen Wien unterstützt.

FAA-Presse-Kontakt:
Mag. Karin Moser Tel.: 216 13 00/ 203, e-mail: k.moser@filmarchiv.at
Mag. Thomas Ballhausen Tel.: 216 13 00/ 253, e-mail:
studienzentrum@filmarchiv.at

SPIELPLAN
PRATER
07.07.2005 bis 31.07.2005
jeweils 21.30 Uhr

Do. 07.07 Eröffnung: Pratermizzi, Welturaufführung der restaurierten
Fassung, A 1926 Stummfilm mit Live-Musikbegleitung

Fr. 08.07 Prater, A 1936
Sa. 09.07 The Third Man (engl. OF) GB 1949
So. 10.07 Freaks (engl. OF) US 1932
Mo. 11.07 Liliom (frz. OF mit dt. UT) Frankreich 1934
Di. 12.07 Carnival of Souls (engl. OF) US 1962
Mi. 13.07 Letter From an Unknown Woman (engl. OF) US 1948
Do. 14.07 Victor … Pendant qu’il est trop tard (frz. OF mit dt. UT) F 1998
Fr. 15.07 Wienerinnen – Schrei nach Liebe A 1952
Sa. 16.07 Strangers on a Train (engl. OF mit dt. UT) US 1951
So. 17.07 La ronde (frz. OF mit dt. UT) F 1950
Mo. 18.07 Flamingo Road (engl. OF) US 1949
Di. 19.07 High Sign / The Playhouse / Number Please / Sugar Daddies 
(engl. OF)
US 1921/1921/1920/1927, Stummfilmprogramm mit Live-Musikbegleitung
Mi. 20.07 Atlantic City, USA (engl. OF mit dt. UT) CDN / F 1980
Do. 21.07 Lonesome (frz. ZT) US 1928, Stummfilm mit Live-Musikbegleitung
Fr. 22.07 Malambo (dt. OF mit engl. UT) Österreich1984
Sa. 23.07 Das Cabinet des Dr. Caligari D 1920, Stummfilm mit 
Live-Musikbegleitung
So. 24.07 Jour de fete (frz. OF mit dt. UT) F 1949
Mo. 25.07 Luna Park F/RUS 1992
Di. 26.07 Nightmare Alley (engl. OF) US 1947
Mi. 27.07 The Crowd (engl. ZT) US 1928Stummfilm mit Live-Musikbegleitung
Do. 28.07 El Maquinista / The Machinist (engl. OF mit dt. UT) E 2004
Fr. 29.07 Exit... nur keine Panik Österreich / D 1982
Sa. 30.07 La strada (ital. OF mit dt. UT) I1954
So. 31.07 Merry-Go-Round (ital. ZT) US 1922Stummfilm mit 
Live-Musikbegleitung


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